Kennen Sie das Serendipity-Prinzip? Es meint, dass man etwas findet, wonach man nicht gesucht hat, oder dass ich von etwas gefunden werde, dass ich schon lange vergessen hatte. Unser biblisches Wort in diesem Monat meint genau das. Vor langer Zeit wurde es von Gott einem Mann anvertraut, der es einem Volk sagen musste, dass entwurzelt, entführt, verschleppt und verloren sich heimatlos in der Ferne im Exil wiederfand. Und das Schlimmste war, dass es sich vollkommen gottvergessen und gottverlassen vorkommen mußte, da es sich nicht vorstellen konnte, dass Gott seinen Tempel im heimatlichen Jerusalem verlassen würde. Und doch passierte genau das. Und Hesekiel, so hier der Mann, konnte seinem Volk, den Israeliten, folgende Botschaft überbringen. 

„Gott spricht: Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken.“

Was für ein Satz. Und zum Glück tickt Gott anders als wir.

Ein Polizist trifft nachts einen Mann, der unter einer Laterne verzweifelt nach seinem Schlüssel sucht. „Sind Sie sicher, dass Sie ihn hier verloren haben?“ – „Nein, drüben im Park. Aber hier ist das Licht besser.“ Wir lachen, weil wir uns erkennen. Wir suchen oft da, wo es hell und bequem ist – nicht dort, wo wir wirklich suchen müssten. Gott macht es umgekehrt. Er bleibt nicht im Licht stehen, sondern trägt das Licht in die Dunkelheit, dorthin, wo wir uns selbst verloren haben.

In Japan nimmt man das Verlorene ernst. Wenn man dort einen Schirm im Zug liegen lässt, findet man ihn erstaunlich oft wieder. Professionelle Finder laufen durch die Waggons, Fundstücke werden akribisch sortiert und bewahrt. Und im christlichen Glauben gibt es den heiligen Antonius, den „Schlampertoni“, der beim Wiederfinden helfen soll. Suchen und Finden ist eine Kulturfrage – und ein Glaubensthema. Er ist übrigens auch für Partnersuche zuständig, aber das ist eine andere Geschichte. 

Auf der großen Bühne der Welt sehen wir die gleiche Bewegung: Im November feiern wir 75 Jahre Europäische Menschenrechtserklärung. „Nie wieder“ sollte gelten, nie wieder sollten Menschenrechte verloren gehen. Worte allein waren nicht genug – deshalb wacht ein Gericht darüber. Manchmal frage ich mich: Muss es immer erst Katastrophen geben, bevor wir Gottes Bewegung ernst nehmen – das Verlorene suchen, das Verwundete verbinden, das Schwache stärken? Und gleichzeitig lernen wir: Unsere Aufgabe ist Mit-Suchen und Mit-Heilen, nicht Verdammen. Das Urteil bleibt bei Gott.

Suchen und Finden zieht sich durch unser Leben. Wir suchen Schlüssel, Gerechtigkeit – und tief drinnen suchen wir Trost, Frieden, Sinn. Und manchmal suchen wir uns selbst. In unserer Sprache gibt es Sätze wie: „Sie haben hier nix verloren!“ Worte, die ausschließen. Wie anders ist da Gott. Er sagt nicht: „Du gehörst hier nicht hin“, sondern: „Gerade du. Ich suche dich.“

Ich muss dann an „Herr Rossi sucht das Glück“ denken. Ein kleiner Mann, der unermüdlich sucht und sich dabei oft selbst verliert. Ein Bild für uns. Wie gut, dass Gott sich wie ein himmlischer Rossi auf den Weg macht – nicht getrieben wie der Ingenieur aus der Serie, der alles schwerer macht, sondern liebevoll, geduldig, durch jede Lebenslage hindurch, bis er uns findet.

Und diese Suchbewegung Gottes wird bei uns ganz konkret. Am Pferdebach-Friedhof gibt es „statt Blumen“, den Raum des ambulanten Hospizdienstes. Ein Ort, an dem man nichts mitbringen muss außer sich selbst und seiner Trauer. Wo Menschen zuhören, Hände halten, Licht schenken. Ein Ort, an dem man Hoffnung findet, gerade weil man etwas verloren hat. Heilig im Alltäglichen.

All diese Bilder erzählen dasselbe: Wir verlieren. Dinge, Beziehungen, Kraft, manchmal die Orientierung. Und wir hoffen, dass jemand mit uns sucht. „Ich will das Verlorene suchen“, sagt Gott. Vielleicht hat Gott längst eine Suchanzeige nach uns aufgegeben – und wir haben sie noch nicht gelesen. Und manchmal greift das Serendipity-Prinzip: Etwas findet uns, das wir gar nicht bewusst vermisst haben.

Im Sommer habe ich den Zweitschlüssel unseres Caddys verloren. Wochenlang gesucht. Fast teuer ersetzt. Und plötzlich lag er da – an einem Ort, den ich hundertmal geprüft hatte. Amelie lächelt kleinlaut: „Der war in meiner großen grünen Handtasche.“ So ist das mit dem Finden. Manchmal kommt es aus der Richtung, die wir längst aufgegeben hatten. Das ist das Serendipity-Prinzip in den Alltag umgesetzt. Jesus ist ein Meister dieses Prinzips.

Jesus erzählt Gleichnisse vom Verlorenen: ein Schaf, eine Münze, ein Sohn – und am Ende die ganze Menschheit. Und er ist der, der sucht, findet, trägt und heimbringt. Der göttliche „Headhunter“ für Verlorene – aber nicht zur Bewertung, sondern zur Rettung. Er sucht Heil, Gnade, Neuanfang, Trost – für dich.

Also lass dich suchen. Lass dich finden. Und mache dich selbst auf den Weg, Verlorenes zu bergen – damit du zu den Wiedergefundenen gehörst und nicht zu den Verlorengegangenen.

✨ Gebet

Gott, du Licht in unserer Dunkelheit.

Du kennst unsere Wege, unsere Irrwege,

unsere Schatten und unsere Sehnsucht.

Suche uns, wenn wir uns verlieren.

Finde uns, wenn wir müde sind.

Trage uns heim, wenn wir nicht mehr können.

Und gib uns Augen und Herzen,

die mit dir suchen –

sanft, geduldig, voller Licht.

Amen.

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