Gedanken zum Monatsspruch für den Dezember 2023

Wann sind sie eigentlich das letzte Mal umarmt worden oder haben jemanden umarmt? Bei wem nicht sowieso schon mit der fünften Umarmung auf dem Weihnachtsmarkt oder beim unausweichlichen familiären Gruppenkuscheln am zweiten Feiertag das soziales Potenzial erschöpft ist, dem hätte Corona dieses Zeichen von Zuwendung, Geborgenheit, Sympathie und Annahme ausgetrieben und abgewöhnt. Warum hat sich der Sauerländer gefreut als der corona-bedingte Mindestabstand von 1,50 m aufgehoben wurde? Weil er endlich wieder auf die gewohnte Entfernung von 3 Meter gehen konnte. Aber gut, dass es für alles ein Youtube-Tutorial gibt, wie dieses hier aus der Schweiz, die ja für ihre sozial-empathischen Höchstleistungen bekannt ist. HOW TO HUG – Tutorial

So und jetzt auf geht´s: free hugs for everyone, please. Es gibt eine Figur aus dem weiteren Umfeld der biblischen Weihnachtsgeschichte, die eine ganz besondere Umarmung erlebt und zulässt. Ihr Name ist Simeon. Nachdem Lukas in seinem Evangelium von der Geburt Jesu berichtet hat, erzählt er wie Maria und Josef mit dem kleinen Jesus-Baby in eine große jüdische Kirche, einen Tempel, gehen. Denn die beiden wissen:  das kleine Kind gehört nicht uns. Das Kind gehört vor allem Gott. Und dort im Tempel wartet schon jemand sehnsüchtig auf sie: Simeon. Die Szene der Begegnung zwischen Simeon und Jesus ist auf vielen Bildern festgehalten worden,  unter anderem von Giovanni Bellini, einem venezianischen Maler aus dem 13. Jahrhundert. 

Oft wird das Geschehen übersetzt mit „Simeon nimmt Jesus auf den Arm!“ – was für unsere Ohren schon einen humoristischen, sympathischen Unterton hat – aber eigentlich müsste es richtig heißen. Simeon empfängt Jesus in seinen Armen. Simeon ist passiv, er empfängt, er lässt sich umarmen. Haben Sie mal erlebt, wie ein Baby ihren Finger, den sie ihm hinhalten, umfängt und festhält oder wenn sie es auf den Arm nehmen und es seine Arme wiederum ganz fest um ihren Hals legt. So ähnlich muss das Gefühl gewesen sein, dass Simeon in dieser Situation erlebt. Tröstlich festgehalten zu werden, beschenkt zu sein mit einer Umarmung voller Liebe und Zuwendung.  (BILD ausblenden!)

Ich denke zuerst, ich hätte das Kind im Arm, dabei umarmt es eigentlich mich. Und in Jesus erkennt Simeon den großen, allmächtigen Gott, der in seiner Liebe die ganze Welt umarmen möchte. Free hugs for everyone, everywhere and everytime. Und da beginnt der Geist Gottes in Simeon zu singen: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.“

Kennen Sie das Gefühl, wenn sie die Erkenntnis durchströmt, besser kann es nicht werden, schöner wird´s nicht, jetzt ist es für einen Moment gut! So muss sich Simeon gefühlt habe. Denn sein Leben bestand hauptsächlich aus Warten, Warten auf Befreiung aus unzumutbaren, konfliktreichen und fast nicht auszuhaltenden Zeiten. Er wünschte sich so sehr, dass das damalige Israel von der römischen Besatzungsmacht befreit würde. Das war seine ganze Hoffnung, eine große Hoffnung für die ganze Welt. Simeon erlebte, dass nicht alles so ist, wie es sein soll. Das sich das  ändern kann und soll. Und ich sehe die Menschen überall auf der Welt, die zustimmend nicken, die Palästinenser und die Israeliten, die Ukrainer und die Russen, die Flüchtlinge und die, die Angst um ihre Heimat haben, die Klimaopfer und die vergessenen Armen weltweit. Aber ein Blick in Jesu Augen, in dessen Brust das Herz Gottes für alle Menschen schlägt, gibt eine verheißungsvolle Hoffnung, dass sich etwas ändern kann, dass es auch anders geht. Krieg muss nicht sein, Ausbeutung der Schöpfung muss nicht sein, nichts ist alternativlos.

Die Bibel spricht davon, dass Alt und Jung eine generationenübergreifende Hoffnung teilen, die Gräben und Zäune, Vorurteile und Ressentiments, Verletzungen und Missverständnisse überwinden hilft. Das liebende Ja Gottes zu uns Menschen ist auch das eine klare Nein, das hilft, die große Gewaltspirale anzuhalten, die durch Sätze wie „Nur nicht alles gefallen lassen!“ oder „Wie du mir so ich Dir!“ angetrieben wird. Und auch Gott scheint lernfähig, wenn aus dem alttestamentlichen unbarmherzigen „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ bei Jesus ein „Liebet Eure Feinde!“ wird. Eine Umarmung geben  oder eine Umarmung zulassen – und beides kann gleich schwer oder gar unmöglich scheinen – können einen neuen Anfang signalisieren, zwischen Gott und mir, zwischen Dir und mir, über Zäune und Gräben hinweg. Probieren Sie es ruhig in der Weihnachtszeit einmal aus.

Vielleicht beginnen Sie mit einer Art inneren Umarmung. Suchen Sie sich beim Schlendern über einen Weihnachtsmarkt oder durch eine Fußgängerzone einen Menschen aus, der für sie alles bedrohlich Fremde in dieser Welt darstellt. Dann sehen sie ihm unauffällig hinterher und denken „Gott segne Dich und die Deinen, denn auch Du bist eines seiner geliebten Menschenkinder.“  Er muss es nie erfahren, aber sie sind um eine Erfahrung reicher. Und wenn Ihnen Menschen zu suspekt sind, fangen sie mit den Tieren an, irgendein Ochse, Esel oder Rentier wird wohl auch in ihrer Nähe zu finden sein: Tiere lieben Umarmungen!  Und dann machen sie bei Schneemänner weiter, denn…  Olaf liebt Umarmungen | Filmclip | «Die Eiskönigin» und zum Schluß bieten sie vielleicht selbst Free hugs for everyone an. 

Das Gebet des Simeon ist übrigens unter dem Titel „Nunc dimittis“, was den ersten Worten der lateinischen Übersetzung entspricht, mehrfach wunderschön vertont worden. Nach unserem Gebet können wir noch eine wunderschöne Fassung davon genießen. Sei unser Heil, o Herr (Nunc dimittis) – Gemeinschaft Emmanuel – Spontaneous Recording Sessions #2

 

 

 

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