Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen!
Lk 6,27-28 (E)

Wenn heute jemand vage etwas von Jesus gehört hat – dann das. Diese radikale Aufforderung, die Feinde zu lieben. Die andere Wange hinzuhalten. Dafür steht Jesus, dafür sollte das Christentum stehen. Manche halten es deshalb für naiv. Andere loben die Idee, fragen aber kritisch: Wer lebt denn wirklich so? Kann man das überhaupt umsetzen?

Ja, diese Aufforderung ist radikal. Weltfremd ist sie nicht. Sie steht in der sogenannten „Feldrede“ (vgl. Lk 6,17), die viel von dem enthält, was Matthäus in der „Bergpredigt“ berichtet (Mt 5-7). Gleich zu Beginn preist Jesus die Armen und Verfolgten selig und kündigt Unheil für die Reichen an (Lk 6,20-26).

Danach folgen unsere Sätze. Erneut benennt Jesus Gewalterfahrungen: Es gibt Feinde, die hassen, verfluchen, beschimpfen. „Hassen“ umfasst dabei auch Ablehnung und Ausgrenzung. Für „beschimpfen“ steht im griechischen Original ein Wort, das auch erniedrigende Taten umfasst. Es geht um mehr als ein paar Schimpfworte: kränkende Ablehnung, üble Nachrede bis hin zu Mobbing und Missbrauch. Erfahrungen, die bis heute zu viele Menschen machen müssen.

Wie kann man mit so etwas umgehen? Wie kommt man da raus? Jesus stellt den vier Angriffsarten vier Verteidigungsstrategien entgegen: Anfeindung und Ablehnung soll man mit Liebe und guten Taten kontern. „Liebe“ meint dabei kein warmes Gefühl, eher praktische Hilfe und ein gutnachbarschaftliches Miteinander (3. Mose 19,17-18; Lk 10,29-37). Den bösen Worten soll man gute entgegenstellen: Verleumder segnen, für Hetzer beten (vgl. Jer 29,7). Also: Gutes tun im direkten Umgang mit denen, die mich anfeinden – und im Gebet ihre demütigenden Worte ins Positive kehren.

Aber ist das nicht eine Zumutung für die Opfer? Ich denke, zwei Voraussetzungen sind wichtig: Zum einen spitzt Jesus etwas zu, was in Wirklichkeit ein längerer Prozess ist. Im Neuen Testament werden ständig die Psalmen zitiert: Jesus und seine Jünger sind tief in dieser Gebetstradition verwurzelt. Die Verarbeitung von Anfeindungen bekommt dort viel Raum. Wer seine Wut und Verletzung in Worte fassen kann, fühlt sich nicht mehr ganz so ohnmächtig. Der weiß sich gesehen von dem Gott, dem das Unrecht nicht egal ist (vgl. Ps 12,6). Der kann es auch Gott überlassen, den Gewalttätern in den Arm zu fallen. Und wer einen „Rachepsalm“ gebetet hat, kann noch einen Schritt weitergehen und Gott sogar für die Feinde bitten. So einen Weg, der die Wut ernst nimmt und doch den Teufelskreis der Gewalt überwindet, beschreibt Paulus im Römerbrief (Röm 12,19-21).

Die zweite Voraussetzung: Jesus sagt kurz darauf, in so einem Verhalten erweisen wir uns als Gottes wahre Kinder (Vers 35). Gottes Vorrat an Güte, Geduld und Liebe ist so viel reicher als unsere armseligen Versuche. Es ist Gottes Liebe, die alles Unrecht, alle Gewalt überwunden und die Macht des Bösen gebrochen hat: Dafür steht das Kreuz (Joh 3,16). Als seine Kinder stärkt und füllt uns diese Liebe – so sehr, dass sie selbst noch unsere Feinde erreichen kann.

Prof. Dr. Deborah Storek

Für die Gedanken zum Monatsspruch bedanken wir uns wieder bei der Theologischen Hochschule Elstal für diesen besonderen Service.

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